Was sind Sinnesgeschichten?

By Ann-Marie Ebel

Sinnesgeschichten sind speziell gestaltete Erzählungen, die alle fünf Sinne der Menschen ansprechen und eine multisensorische Erfahrung bieten. Sie sind eine wunderbare Methode, um Kinder (aber auch Erwachsene) in eine Fantasiewelt zu entführen und gleichzeitig ihre Wahrnehmung zu fördern. Sinnesgeschichten kombinieren Erzählkunst mit gezielter Stimulation von Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen. Sie sind besonders beliebt in pädagogischen, therapeutischen und integrativen Kontexten, da sie nicht nur die Kreativität anregen, sondern auch die Wahrnehmungsfähigkeit und das Wohlbefinden der Teilnehmenden steigern.

In diesem Beitrag gehen wir darauf ein, was Sinnesgeschichten genau sind, wie sie wirken und warum sie so effektiv sind.

Was zeichnet eine Sinnesgeschichte aus?

Eine Sinnesgeschichte ist eine narrative Erzählung, die die Teilnehmenden dazu einlädt, sich aktiv mit ihrer Umwelt auseinanderzusetzen, indem sie durch gezielte Reize ihre Sinne ansprechen. Anders als in herkömmlichen Geschichten, in denen der Fokus auf der sprachlichen Darstellung und der Vorstellungskraft liegt, geht es bei Sinnesgeschichten darum, die Fantasie mit realen sensorischen Eindrücken zu verbinden.

Schlüsselmerkmale einer Sinnesgeschichte:

  1. Multisensorische Reize: Die Geschichte wird mit Reizen aus den verschiedenen Sinnebenen angereichert. Dies bedeutet, dass die Kinder oder Erwachsenen die Möglichkeit haben, durch Hören, Sehen, Fühlen, Riechen und Schmecken aktiv in die Erzählung einzutauchen.
  2. Interaktive Elemente: Sinnesgeschichten sind oft so gestaltet, dass die Zuhörenden aktiv in die Geschichte einbezogen werden. Sie werden nicht nur passiv bespaßt, sondern können durch ihre eigenen Handlungen die Geschichte mitgestalten – beispielsweise durch das Berühren von Objekten, das Riechen von Düften oder das Hören von Naturgeräuschen.
  3. Emotionale und kreative Anreize: Die Geschichten fördern nicht nur die sensorische Wahrnehmung, sondern auch die Kreativität und die emotionale Auseinandersetzung der Teilnehmenden. Sie regen dazu an, über die Geschichte hinaus eigene Bilder und Gedanken zu entwickeln.
  4. Förderung von Achtsamkeit und Entspannung: Oft sind Sinnesgeschichten in einem langsamen Tempo erzählt, was dazu beiträgt, dass sich die Teilnehmenden entspannen und ihre Achtsamkeit schulen können.

Wie wirken Sinnesgeschichten?

Die Wirkung von Sinnesgeschichten ist vielfältig und reicht von der Förderung der Wahrnehmungsfähigkeit bis hin zur Entspannung und Stressbewältigung. Sie unterstützen Kinder in ihrer emotionalen Entwicklung, helfen beim Kennenlernen und Erforschen der eigenen Sinne und stärken das Gefühl für die eigene Wahrnehmung. Besonders in integrativen Bildungs- und Therapieangeboten, zum Beispiel in der Arbeit mit Kindern mit besonderen Bedürfnissen oder in der Seniorenbetreuung, bieten Sinnesgeschichten zahlreiche Vorteile:

1. Förderung der Sinne und Wahrnehmung

Durch die gezielte Ansprache aller Sinne werden die Kinder oder Teilnehmenden dazu angeregt, ihre Umwelt intensiver und bewusster wahrzunehmen. Sie lernen, ihre eigenen Wahrnehmungen zu reflektieren und bekommen eine stärkere Verbindung zu den Dingen um sie herum.

  • Sehen: Farben, Lichtwechsel oder die Darstellung von Bildern werden in der Geschichte angesprochen.
  • Hören: Geräusche, Musik oder Klangwelten helfen, die Atmosphäre der Geschichte zu erzeugen.
  • Fühlen: Haptische Elemente wie Stoffe, Texturen oder temperaturempfindliche Objekte werden in die Erzählung integriert.
  • Riechen: Düfte oder Aromen, die an bestimmte Szenen erinnern, werden zur Schaffung einer intensiven Sinneserfahrung eingesetzt.
  • Schmecken: In einigen Geschichten können auch Geschmackserlebnisse integriert werden, wenn etwa ein Lebensmittel oder eine Pflanze beschrieben wird, die später auch probiert werden kann.

2. Förderung von Fantasie und Kreativität

Sinnesgeschichten fördern nicht nur die Sinne, sondern auch die Fantasie. Durch die lebendige Darstellung von Szenen und die Integration von interaktiven Elementen können sich Kinder oder Erwachsene die Szenen besser vorstellen und kreativ daran teilhaben. Sie können sich in die Erzählung hineinversetzen, die Charaktere selbst „erleben“ und eigene Gedanken und Bilder entwickeln.

3. Achtsamkeit und Entspannung

Die ruhige Erzählweise vieler Sinnesgeschichten wirkt beruhigend und fördert die Achtsamkeit. Besonders in stressigen oder überstimulierenden Umfeldern bieten Sinnesgeschichten die Möglichkeit, in eine entspannende und beruhigende Atmosphäre einzutauchen. Die Kinder oder Teilnehmenden können sich vollständig auf die Erzählung konzentrieren und erleben eine Form der „Achtsamkeit“, die ihnen hilft, zur Ruhe zu kommen und den Moment bewusst zu genießen.

4. Förderung der sprachlichen und sozialen Fähigkeiten

Besonders im Kontext von Gruppenaktivitäten fördert das gemeinsame Erleben einer Sinnesgeschichte die sozialen Fähigkeiten. Kinder lernen, aufeinander zu achten, sich abzusprechen und ihre Erlebnisse zu teilen. Die Erzählung selbst fördert die sprachliche Entwicklung, da Kinder durch die Beschreibung von Gefühlen, Eindrücken und Wahrnehmungen ihren Wortschatz erweitern und ihren Ausdruck verbessern können.

5. Therapeutische Wirkung

In therapeutischen Kontexten, etwa bei der Arbeit mit Menschen mit kognitiven oder körperlichen Einschränkungen, können Sinnesgeschichten dabei helfen, Blockaden zu lösen und die emotionale und sensorische Wahrnehmung zu stimulieren. Durch das Ansprechen der verschiedenen Sinne wird das Gehirn auf verschiedenen Ebenen aktiviert, was bei der Wiederherstellung oder Förderung von Wahrnehmungsprozessen hilfreich sein kann.

Sinnesgeschichten „Bärenjagd“
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von Tumisu auf Pixabay