Multisensorische Räume sind individuell gestaltete Umgebungen, die bewusst so gestaltet sind, dass sie alle fünf Sinne des Menschen ansprechen: Sehen, Hören, Riechen, Fühlen und Schmecken. Durch gezielte Reize werden Wahrnehmung und Kommunikation gefördert, was nicht nur zur Entspannung dient, sondern auch therapeutische Effekte hat. Doch wer profitiert besonders von diesen Räumen? Welche Zielgruppen können die multisensorische Umgebung nutzen, um ihr Wohlbefinden zu steigern oder ihre Fähigkeiten zu fördern?
In diesem Blogbeitrag werfen wir einen Blick auf verschiedene Zielgruppen, die von multisensorischen Räumen profitieren können, und erläutern, wie diese speziellen Räume ihre jeweiligen Bedürfnisse unterstützen.
1. Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen
Zielgruppe: Menschen mit Demenz, Alzheimer oder anderen kognitiven Einschränkungen
Multisensorische Räume bieten eine wertvolle Unterstützung für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen, wie sie bei Demenz oder Alzheimer häufig vorkommen (Van Weert et al., 2005). Diese Menschen haben oft Schwierigkeiten, sich verbal auszudrücken, oder sind in ihrer Wahrnehmung stark eingeschränkt (Chung et al., 2002). In einem multisensorischen Raum können einfache, aber eindrucksvolle Reize wie beruhigende Musik, sanfte Lichter oder taktile Elemente das Wohlbefinden steigern und Erinnerungen oder Emotionen wachrufen (Milev et al., 2008).
Durch die Förderung der Sinneswahrnehmungen kann es gelingen, die Aufmerksamkeit und das Gedächtnis zu aktivieren (Baker et al., 2001). Vor allem die visuelle, akustische und taktile Stimulation kann helfen, eine emotionale Reaktion hervorzurufen und das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit zu vermitteln (Van Diepen et al., 2002).
2. Menschen mit körperlichen Einschränkungen
Zielgruppe: Menschen mit motorischen Behinderungen, Rollstuhlfahrer, Patienten in der Rehabilitation
Menschen mit motorischen Einschränkungen haben oft Schwierigkeiten, sich zu bewegen und ihre Umgebung aktiv zu gestalten. In multisensorischen Räumen können die physische Mobilität und die Wahrnehmung der Umwelt neu erlebt werden (Chung et al., 2002). Die gezielte Nutzung von taktilen und visuell ansprechenden Elementen kann sowohl für Entspannung sorgen als auch die Sensibilität und Körperwahrnehmung fördern (Lotan & Gold, 2009).
Durch die Möglichkeit, auf unterschiedliche Reize wie Vibrationen oder Wärme zu reagieren, können Menschen mit eingeschränkter Mobilität eine neue Form der Kommunikation und Wahrnehmung erleben (Staal et al., 2003). Besonders bei Patient:innen, die sich in der Rehabilitation befinden, kann die multisensorische Stimulation die Wiederherstellung von Bewegungsfunktionen und die Verbesserung der körperlichen Wahrnehmung unterstützen (Hogg et al., 2001).
3. Menschen auf dem Autismusspektrum
Zielgruppe: Menschen im Autismus-Spektrum
Multisensorische Räume sind für Menschen auf dem Autismusspektrum eine wichtige Möglichkeit, ihre Wahrnehmung zu schulen und ihre emotionalen Reaktionen zu regulieren (Ashburner et al., 2014). Menschen im Autismus-Spektrum haben häufig eine sehr intensive oder veränderte Wahrnehmung ihrer Umwelt. Reize wie Lärm, grelles Licht oder übermäßige Bewegung können sie schnell überfordern (Baranek et al., 2006).
In einem multisensorischen Raum können die Reize genau dosiert und kontrolliert werden, was dazu beiträgt, eine Überforderung zu vermeiden und gleichzeitig die Wahrnehmung zu schulen (Minshew & Hobson, 2008). So können sie lernen, besser mit Reizen umzugehen und ihre Emotionen zu regulieren. Elemente wie beruhigende Musik, sanfte Lichter und Texturen helfen dabei, eine Umgebung zu schaffen, in der die Betroffenen sich sicher und wohl fühlen (Schaaf et al., 2011).
4. Menschen mit psychischen Erkrankungen
Zielgruppe: Menschen mit Angststörungen, Depressionen oder posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS)
Multisensorische Räume sind auch eine wertvolle Ressource für Menschen mit psychischen Erkrankungen, insbesondere für diejenigen, die unter Angststörungen, Depressionen oder PTBS leiden (Chalmers et al., 2012). Diese Patienten haben oft Schwierigkeiten, mit Stress und belastenden Gefühlen umzugehen, und benötigen einen Raum, der Ruhe und Entspannung fördert (Bailey et al., 2018).
In einem multisensorischen Raum können beruhigende Klänge, angenehme Düfte und sanft wechselnde Lichtquellen helfen, die körperliche und geistige Entspannung zu fördern. Diese gezielte Ansprache der Sinne trägt dazu bei, Ängste zu lindern, Stress abzubauen und die innere Ruhe zu stärken (Anderson & Dunn, 2013).
5. Kinder und Jugendliche
Zielgruppe: Kinder mit besonderen Bedürfnissen oder Entwicklungsverzögerungen
Kinder, insbesondere solche mit Entwicklungsverzögerungen oder besonderen Bedürfnissen, können in einem multisensorischen Raum ihre Fähigkeiten zur Wahrnehmung und Kommunikation spielerisch weiterentwickeln (Pagliano, 2012). Die verschiedenen Reize fördern nicht nur die kognitive und motorische Entwicklung, sondern auch das soziale Miteinander (Hogg et al., 2001).
Besonders für Kinder mit Aufmerksamkeitsstörungen oder Verhaltensauffälligkeiten kann die multisensorische Umgebung ein sicherer Raum sein, um sich zu beruhigen, den Fokus zu schärfen und positive emotionale Erfahrungen zu machen (Lindsay et al., 2010).
6. Ältere Menschen
Zielgruppe: Senioren in Pflegeeinrichtungen oder mit Einschränkungen im Alter
Für ältere Menschen, insbesondere solche in Pflegeheimen oder mit altersbedingten Einschränkungen, bietet ein multisensorischer Raum eine wertvolle Möglichkeit, ihre Lebensqualität zu steigern (Van Weert et al., 2005). Mit zunehmendem Alter können sich die Sinne verschlechtern, was das Wohlbefinden beeinträchtigt. Die sinnliche Stimulation kann dabei helfen, die Sinne zu erhalten und das Wohlbefinden zu fördern (Collier et al., 2010).
Die visuelle und akustische Stimulation kann zum Beispiel dazu beitragen, die emotionale Reaktivität zu fördern und das Gefühl der Verbundenheit zu stärken, auch bei Menschen, die kognitiv eingeschränkt sind (Staal et al., 2007).
Fazit
Multisensorische Räume sind unglaublich vielseitig und bieten für ein breites Spektrum von Zielgruppen eine wertvolle Möglichkeit, ihre Sinne zu stimulieren, ihre Wahrnehmung zu schärfen und ihr Wohlbefinden zu fördern. Vom älteren Menschen bis zum Kind, vom Menschen mit Autismus bis zum Patienten in der Rehabilitation – jeder kann von der gezielten Ansprache der Sinne profitieren. Diese Räume bieten eine friedliche und sichere Umgebung, die es den Betroffenen ermöglicht, ihre emotionale und körperliche Gesundheit zu verbessern, Stress abzubauen, ihre Selbstwahrnehmung zu stärken und sich als selbstwirksam wahrzunehmen.
Zu den Beispielräumen!Quellen:
Bild: Gerd Altmann auf Pixabay
- Anderson, K., & Dunn, L. (2013). The impact of multisensory environments on individuals with mental health disorders: A systematic review. Journal of Mental Health, 22(4), 391–401.
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