Multisensorische Räume und Snoezelen-Räume sind zwei Begriffe, die oft miteinander verwechselt werden, obwohl sie in ihrer Anwendung und Zielsetzung unterschiedliche Schwerpunkte haben. Beide Konzepte fördern das Wohlbefinden und die Wahrnehmung der Nutzer:innen, setzen jedoch unterschiedliche Ansätze zur Stimulation der Sinne und zur Teilhabe der betroffenen Personen. In diesem Beitrag gehen wir auf die Unterschiede zwischen multisensorischen Räumen und Snoezelen ein, wobei der Fokus auf der multimodalen Ansteuerung und der Teilhabe der Menschen liegt.
Was ist ein multisensorischer Raum?
Multisensorische Räume sind speziell gestaltete Umgebungen, die eine Vielzahl von Sinnesreizen – visuelle, akustische, taktile, olfaktorische und in einigen Fällen auch gustatorische Reize – gleichzeitig oder gezielt ansprechen. Der Begriff „multisensorisch“ bezieht sich dabei auf die gleichzeitige oder sukzessive Ansteuerung mehrerer Sinneskanäle, die auf die Bedürfnisse und Wahrnehmungsfähigkeiten der Nutzer:innen abgestimmt sind. Ziel eines multisensorischen Raums ist es, die Interaktion der Nutzer:innen mit ihrer Umwelt zu fördern und ihre Teilhabe an verschiedenen Aktivitäten zu ermöglichen.
Ein multisensorischer Raum zeichnet sich durch eine multimodale Ansteuerung aus. Das bedeutet, dass der Raum so gestaltet ist, dass er auf verschiedenen Ebenen – visuell, akustisch, haptisch oder durch Düfte – gezielt Reize setzt, die das sensorische Erleben und die Wahrnehmung erweitern. Dies ermöglicht den Nutzenden, ihre Umwelt aus mehreren Perspektiven zu erfahren und aktiv zu gestalten.
Die Teilhabe steht dabei im Vordergrund: Menschen sollen in der Lage sein, aktiv mit der Umgebung zu interagieren, ihre eigenen Wahrnehmungen zu erleben und sich in den Raum einzubringen. Dies kann sowohl bei Menschen mit Einschränkungen als auch bei gesunden Nutzer:innen geschehen. Die Teilnehmenden können, je nach ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten, aktiv oder passiv an der Gestaltung der Umgebung teilnehmen.
Multisensorische Räume werden in unterschiedlichen Kontexten genutzt – sei es in der Therapie, der Rehabilitation, in der Arbeit mit Kindern oder Erwachsenen mit besonderen Bedürfnissen oder auch in der Freizeitgestaltung. Sie sind vielseitig und können an verschiedene Anforderungen und Zielgruppen angepasst werden.
Beispiel: Ein multisensorischer Raum für Kinder mit Autismus könnte verschiedene interaktive Stationen bieten, die visuelle, akustische und taktile Reize kombinieren, wie z. B. Lichter, die mit Musik synchronisiert sind, oder weiche Texturen, die die Kinder anregen, mit ihrer Umgebung in Kontakt zu treten.
Was ist Snoezelen?
Snoezelen, auch bekannt als „doppelte Entspannung“ oder „multisensorische Entspannungsräume“, wurde ursprünglich in den 1970er Jahren in den Niederlanden entwickelt und ist ein spezifischer Ansatz, der eine sanfte und beruhigende Stimulation der Sinne zum Ziel hat (Lotan & Gold, 2009). Der Begriff „Snoezelen“ setzt sich aus den niederländischen Wörtern „snuffelen“ (schnüffeln) und „doezelen“ (dösen) zusammen, was darauf hinweist, dass der Raum eine entspannende, fast träumerische Atmosphäre schaffen soll (Chitsey, Haight & Jones, 2002). Snoezelen-Räume sind vor allem für Menschen mit kognitiven oder physischen Einschränkungen geeignet, wie etwa Menschen mit Demenz, schwerer Behinderung oder Autismus (Stallinga et al., 2022).
Im Unterschied zu einem breiter angelegten multisensorischen Raum, der auf aktive Teilhabe und Interaktivität setzt, liegt der Schwerpunkt in einem Snoezelen-Raum auf passiver Entspannung und Wahrnehmung. Es geht darum, den Nutzer:innen eine Umgebung zu bieten, die nicht überfordert, sondern beruhigt (Pagliano, 2012). Hier wird die Sinneswahrnehmung durch eine gezielte, sanfte Ansteuerung stimuliert – etwa durch sanfte Lichter, beruhigende Musik, weiche Texturen und angenehme Düfte (Hogg et al., 2001). Der Raum ist darauf ausgerichtet, eine Atmosphäre zu schaffen, in der die Nutzenden sich sicher und geborgen fühlen und die Möglichkeit haben, ihre Umwelt ohne Anstrengung oder Druck zu erleben (Shapiro et al., 1997).
Die Teilhabe in einem Snoezelen-Raum ist in der Regel passiv. Nutzer:innen sind eingeladen, die Reize aufzunehmen, sich zu entspannen und dabei eventuell auch ihre eigenen Reaktionen zu entdecken. Hier steht der therapeutische Aspekt der Entspannung und der Wahrnehmung im Vordergrund, nicht unbedingt die Interaktivität (Baillon et al., 2002). Der Raum bietet vor allem Menschen, die mit ihrer Umwelt Schwierigkeiten haben (z. B. Menschen mit Demenz oder schweren physischen Einschränkungen), die Möglichkeit, sich in einer sicheren Umgebung zurückzuziehen und ohne verbale Kommunikation mit der Umgebung zu interagieren (Staal et al., 2003).
Beispiel: In einem Snoezelen-Raum für ältere Menschen mit Demenz könnten beruhigende Lichter und leise Musik abgespielt werden, während weiche Texturen und angenehme Düfte die Entspannung fördern. Der Raum fordert die Person nicht zu aktiven Handlungen auf, sondern bietet einen Raum der Ruhe und des Wohlbefindens.
Unterschiedliche Ziele und Ansätze
Der Hauptunterschied zwischen einem multisensorischen Raum und einem Snoezelen-Raum liegt also in der Zielsetzung und der Art der Sinnesansprache:
Multisensorische Räume bieten eine multimodale Ansteuerung der Sinne und fördern die aktive Teilhabe der Nutzenden. Sie sind so gestaltet, dass Menschen verschiedene Reize erleben und mit der Umgebung interagieren können. Dabei können die Reize je nach Zielgruppe und Zielsetzung gezielt angepasst werden, um die Wahrnehmung zu erweitern und das Lernen oder die Interaktion zu fördern.
Snoezelen-Räume hingegen setzen auf eine sanfte, beruhigende Sinneswahrnehmung. Die passive Teilhabe und Entspannung stehen im Vordergrund. Die Nutzenden sollen sich entspannen, ihre Sinne wahrnehmen und ohne Druck in der sicheren Umgebung eine Auszeit nehmen. Die Interaktivität ist in einem Snoezelen-Raum geringer, da der Raum eher einen Rückzugsort für Menschen bietet, die häufig überfordert sind oder nicht in der Lage sind, aktiv zu reagieren.
Teilhabe und multimodale Ansteuerung im multisensorischen Raum
In einem multisensorischen Raum liegt ein besonderer Fokus auf der Teilhabe und der multimodalen Ansteuerung. Dies bedeutet, dass der Raum die Nutzenden aktiv in die Nutzung einbezieht und verschiedene Sinne anregt, um eine umfassendere Wahrnehmung der Welt zu ermöglichen.
Multimodale Ansteuerung bedeutet, dass verschiedene Sinneskanäle miteinander kombiniert werden, um die Wahrnehmung zu erweitern. Beispielsweise könnten visuelle Reize wie farbige Lichter mit musikalischen Klängen oder Taktilität wie Texturen und Vibrationen kombiniert werden. Diese Reize sind so gestaltet, dass die Nutzenden aktiv mit der Umgebung interagieren können, je nach ihren Fähigkeiten und Interessen.
Teilhabe in diesem Kontext bedeutet, dass Menschen nicht nur passive Empfänger von Reizen sind, sondern aktiv die Möglichkeit haben, mit der Umgebung zu interagieren und diese zu beeinflussen. Dies fördert die Selbstwirksamkeit und das Gefühl der Kontrolle, was besonders wichtig für Menschen ist, die aufgrund von Krankheit oder Behinderung oft das Gefühl haben, in ihrer Umwelt hilflos zu sein.
Beispiel: Ein Erwachsener mit einer geistigen Behinderung könnte in einem multisensorischen Raum verschiedene Objekte berühren, Farben verändern oder Klänge aktiv steuern, was ihm ein Gefühl von Kontrolle und Beteiligung an seiner Umgebung gibt.
Fazit
Sowohl multisensorische Räume als auch Snoezelen-Räume haben ihren Platz in der Förderung von Wahrnehmung und Wohlbefinden – sie unterscheiden sich jedoch in ihrer Zielsetzung und der Art der Reizsetzung. Während multisensorische Räume auf aktive Teilhabe und multimodale Ansteuerung setzen, bieten Snoezelen-Räume vor allem einen Raum für passive Entspannung und beruhigende Sinneswahrnehmung. Die Wahl zwischen beiden Konzepten hängt von den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Nutzer:innen ab, wobei in vielen Fällen eine Kombination aus beiden Ansätzen sinnvoll sein kann, um sowohl aktive Teilhabe als auch Entspannung zu fördern.
Zum Video: „Mit allen Sinnen“Quellen:
- Baillon, S., van Diepen, E., Prettyman, R., Rooke, N., Redman, J., & Campbell, R. (2002). Snoezelen multi-sensory stimulation in dementia: A review of the literature. International Journal of Geriatric Psychiatry, 17(9), 947–954.
- Chitsey, A. M., Haight, B. K., & Jones, M. M. (2002). Snoezelen: A multisensory environmental intervention. Journal of Gerontological Nursing, 28(3), 41–49.
- Hogg, J., Cavet, J., Lambe, L., & Smeddle, M. (2001). The use of Snoezelen as multisensory stimulation with people with intellectual disabilities: A review of the research. Research in Developmental Disabilities, 22(5), 353–372.
- Lotan, M., & Gold, C. (2009). Meta-analysis of the effectiveness of individual intervention in the controlled multisensory environment (Snoezelen®) for individuals with intellectual disabilities. Journal of Intellectual and Developmental Disability, 34(3), 207–215.
- Pagliano, P. (2012). The Multisensory Handbook: A guide for children and adults with sensory learning disabilities. Routledge.
- Shapiro, M., Parush, S., Green, M., & Roth, D. (1997). The efficacy of the „Snoezelen“ in the management of children with mental retardation who exhibit maladaptive behaviours. British Journal of Developmental Disabilities, 43(85), 140–155.
- Staal, J. A., Sacks-Zimmerman, A., & Brouwer, B. (2003). The effects of Snoezelen (multisensory behavior therapy) and psychiatric care on agitation, apathy, and activities of daily living in dementia patients. American Journal of Alzheimer’s Disease and Other Dementias, 18(5), 300–306.
- Stallinga, H. A., Simons, R. M., Sprenger, M. J., & Kruse, A. (2022). The application of Snoezelen therapy in dementia care: A systematic review. Journal of Alzheimer’s Disease Reports, 6(1), 321–335.